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„Was du liebst, lass’ frei! Kommt es zu dir zurück, gehört es dir – für immer.“ Was denkst du, wenn du dieses Zitat hörst? „Oh wow, was für eine Schönheit!“ oder doch eher „Meeeinn Schaaaatz“ á la Gollum aus Herr der Ringe? Egal, was du bei diesem Konfuzius-Zitat empfindest – es ist aus meiner Sicht eine pure Wachstumsquelle. Auch wenn ich vielleicht nicht chinesische Philosophie studiert habe, möchte ich dich hier trotzdem dazu einladen, dich meiner Interpretation zu öffnen; vielleicht gefällt dir dieses Zitat dann am Ende so gut wie mir.
„Was du liebst, lass’ frei!“
Über unseren Wert und Besitzdenken
„Was du liebst, lass’ frei!” Dieser Satz ist die wohl größte Schwierigkeit, die wir westlich lebenden Menschen heute haben.
Wir definieren uns über unseren Besitz, denn er macht uns „wertvoll“. Früher war der Wert eines Menschen hingegen über seinen Stand gesichert.
Er war von Geburt an einer gesellschaftlichen Klasse zugeordnet, zum Beispiel „niedrig-“ oder „hochgeboren“. Aus dieser Klasse konnte er nur ganz ganz schwer entkommen – zugleich war der Wert klar vordefiniert und niemand musste konkret an ihm „arbeiten“. Falls du mehr darüber wissen willst, empfehle ich dir diesen Artikel: https://gedankenguru.de/woher-kommt-die-wut-eine-story-ueber-liebe-und-anerkennung/
Heute ist das anders. Wir definieren unseren Wert über unsere „Selfmade“-Kultur, das heißt, wir sind scheinbar selbst dafür verantwortlich, wie wertvoll wir sind. Zum Beispiel bedeuten viele Likes auf Social Media einen vermeintlich höheren Wert als jemand mit weniger Likes. Wir können heutzutage zu allem werden: von einem scheinbar weniger wertvollen Straßenjunkie bis hin zu Bill Gates, dem „Menschenfreund“ schlechthin. Zugleich ist unser Wert dadurch so unsicher wie nie zuvor in der Geschichte, denn wir haben einfach keinen festen Platz, der unseren Wert absichert.
Für alles sorgen wir selbst: unser attraktives Äußeres, unsere berufliche Anerkennung … Schon in der Schulzeit müssen wir unseren Wert unter Beweis stellen. Und dann die Fragen als Single, die du in der Regel mit komischer Betonung von deiner Familie gestellt bekommst: „Du bist (immer noch) Single?“ impliziert indirekt „Was läuft bei dir schief?“. Oder wenn du in einer Beziehung bist, die häufig gestellte Frage „Wie lange seid ihr schon zusammen?“ Einer Beziehung, die länger andauert, wird zumeist mehr Wert beigemessen als einer, die erst begonnen hat.
„Was du liebst, lass’ frei!“
Ich könnte die Liste unendlich fortsetzen, aber ich glaube, du hast meinen Punkt verstanden:
Wir definieren uns darüber, was wir „haben“. Das macht aus, wer wir sind.
Was du einmal besitzt, gibst du in der Regel nicht mehr so schnell wieder her, denn es sichert dich ab. Doch „Was du liebst, lass’ frei!“ lehrt uns das genaue Gegenteil. Besitz macht unglücklich, denn du willst immer mehr. So ist der menschliche Verstand heute aufgebaut. Du wirst nie zufrieden sein. Die einzige Möglichkeit wahren Reichtums ist, loszulassen und freizugeben. Das sagt uns der erste Teil dieses Zitats.
Viele beziehen dieses Zitat nur auf Partnerschaften, aber in meinen Augen stimmt das nicht. „Was du liebst, lass’ frei!“ beschränkt sich nicht nur auf eine Person, sondern auch auf Gegenstände, Berufswünsche oder Eigenschaften, die du gerne hättest. Während wir im Westen darauf aus sind, uns an das zu klammern, was wir wollen, gehen östliche Philosophien anders damit um. Das zeigt beispielsweise der Samurai-Krieger Ryunosuke Otsuka, den ich schon mal zitiert habe. Vor einem Kampf lässt er den Gedanken los, unbedingt gewinnen zu müssen. So stellt er sicher, dass er nichts anhaftet und frei handeln kann. Auch du darfst freigeben, was du dir wünschst.
„Kommt es zu dir zurück, gehört es dir. Für immer.“
Begehren macht unfrei
„Kommt es zu dir zurück, gehört es dir. Für immer.“ Falls in deinem Kopf bei dem zweiten Teil des Zitats immer noch die Alarmglocken schrillen mit „viel zu viel Besitzdenken!“ und du direkt wieder an Gollum mit seinem Ring in den mageren Händen denken musst, darfst du dich beruhigen: Das Zitat will auf das genaue Gegenteil von Gollums Verhalten hinaus. Denn wie der erste Teil des Zitats aussagt, darfst du freigeben: Lasse es gehen, lasse es los, mache dich frei von deinem großen, ersehnten Wunsch!
Wenn du etwas so sehr begehrst und besitzen willst, besitzt es in Wahrheit dich. Das macht dich selbst unfrei und zum Sklaven.
Du willst unbedingt diese Jeans haben? Du kannst an nichts anderes mehr denken? Kein Geld, aber egal, Hauptsache, du kannst diese Jeans anziehen?! Das ist kein freies Handeln. Oder du willst unbedingt diesen Job haben, anders kannst du nicht glücklich werden? Auch das kann dazu führen, dass du niemals frei handeln wirst. Klar, zum Ziele verfolgen ist das gut. Aber glücklich wirst du damit nicht, weil du immer deinem Begehren hinterherjagst. Und eigentlich wollen wir doch etwas anderes: Jeans und Job sind nur Symptome, aber nicht die Ursache unseres Wunsches. Eigentlich wollen wir Liebe, aber wir übertragen dieses Bedürfnis auf materielle Dinge, auf die wir mit dem Finger zeigen können – das ist schließlich einfacher.
Was uns das Zitat sagen will
Aber was bedeutet dieses „Kommt es zu dir zurück, gehört es dir – für immer“? Stelle dir vor, du willst unbedingt gelassener im Alltag werden, zum Beispiel deinem Partner gegenüber. Du nimmst es dir fest vor, doch meistens geht es schief. Schon wieder ein lautes Wort, schon wieder viel zu schnell genervt. Wahrscheinlich, weil du dich ein bisschen zu sehr unter Druck setzt und dich stresst.
Wenn du aber akzeptierst, dass du gerade nicht gelassener sein kannst, bist du vielleicht nicht sofort ein gelassenerer Mensch; vielleicht wirst du nie zu einem gelassenen Menschen. Doch die wahrscheinlichere Variante ist, dass du endlich loslassen kannst.
Dass der Druck abfällt und die Gelassenheit zu dir findet. Sie wird zu einem Teil von dir, ohne dass du es merkst. Wenn du etwas freigibst, gibt es keine Garantie, dass es jemals zu dir zurückkommt. Aber wenn es zurückkommt, wird es ein Teil von dir. Das will uns das Zitat sagen.
Es ist keine allgemeingültige Formel. Es ist eher eine Richtschnur, die uns einlädt, ihr zu folgen.
Nein, es geht nicht um Frauenbesitztum
Andere Interpretationen dieses Zitats handeln davon, dass man es heute abwandeln müsse: Im alten China hätten die Frauen den Männern gehört, deshalb solle man das Zitat lieber umwandeln in „Was du liebst, lass’ frei! Kommt es zu dir zurück, will es bleiben.“ Ich glaube aber nicht, dass Konfuzius das so meinte. Es geht nicht darum, dass ein Mann eine Frau für immer besitzen dürfe. Es geht vielmehr darum, dass ein Wesen (eine Frau oder ein Mann, vielleicht aber auch ein Tier, ein Gegenstand oder eine Eigenschaft) sich frei dafür entscheiden kann, dich dein Leben lang zu begleiten; wenn du anfängst, zu vertrauen.
Das Zitat lädt dich ein, die Kontrolle abzugeben und anzufangen, dem Leben und den Wesen um dich herum zu vertrauen.
Genauso gut kann es aber auch sein, dass sich das Objekt deines Begehrens von dir abwendet und niemals zu dir zurückfindet. Aber dann gehört es nicht länger zu dir und soll auch kein Teil mehr von dir sein. Dann war es nur die richtig Entscheidung, es gehen zu lassen und dich in eine andere Richtung zu entwickeln. Oder aber, du übst auf dieses Objekt jetzt so eine Faszination aus, dass es nicht anders kann, als sich energetisch mit dir zu verbinden und mit dir zu verschmelzen.
Gib’ die Kontrolle ab – gehe ins Vertrauen
Eigentlich ist das Leben doch purer Kontrollverlust. Wir können nichts kontrollieren, und doch versuchen wir es ständig. Das, was wir lieben, kann uns den allergrößten Schmerz zufügen, und wir können nichts dagegen tun. Darum dürfen wir lernen zu vertrauen. Dieses „Nacktsein“ gibt uns mehr Sicherheit als irgendein Besitz es jemals könnte. Das heißt:
Wenn du loslässt, bist du wirklich stark – und deine Stärke zieht an, was du empfangen darfst.
Ich weiß, das ist so einfach gesagt und so schwer getan. Doch das macht auch die Schönheit dieses Zitats für mich aus. Es ist ein wahrscheinlich unerreichbares Ideal, das uns jeden Tag dazu bewegen kann, über uns hinauszuwachsen. Ein Zitat, das uns herausfordert und kitzelt und uns auf unsere wohl größte Schwachstelle hinweist: unser Besitzdenken. Denn letztlich ist alles, wirklich alles, nur geliehen. Wahren Reichtum können wir nur in uns selbst finden.
Herzlich, Sabrina
P.S. Vielen Dank, Dennis Stumm, auch für diesen ganz wunderbaren Austausch!
Wie siehst du das Zitat jetzt? Inspiriert dich diese Interpretation? Mochtest du das Zitat schon vorher, oder hast du es abgelehnt? Wie ist es jetzt?
Titelbild: jplenio/Pixabay
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Ein Gedanke zu „„Was du liebst, lass’ frei!“ Warum dieses Konfuzius-Zitat eine echte Wachstumsquelle ist“
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