Willkommen zum zweiten Teil der Gastartikel-Reihe zu Psychotherapien! Meine Schwester und Psychologiestudentin Jennifer Stünkel liefert mit dieser Mini-Serie spannendes Wissen aus der Welt der Psychotherapien. Denn Selbsthilfe allein reicht in manchen Fällen einfach nicht aus. Im ersten Teil hat sie schon vorgestellt, wann eine Psychotherapie sinnvoll sein kann und welche Fragen dich vorab begleiten können. In diesem Teil findest du einen Überblick zu den verschiedenen Therapierichtungen. Viel Spaß beim Lesen!
Lesezeit: 5 Minuten
Viele Menschen geraten im Leben mal an ihre Grenzen und müssen sich großen Herausforderungen stellen. Helfen kann an dieser Stelle eine Psychotherapie. Vielleicht spielst auch du mit dem Gedanken, dir eine zu suchen. Doch Psychotherapie ist nicht gleich Psychotherapie – es gibt unterschiedliche Ansätze für eine Therapie und unterschiedliche Methoden.
Dieser Artikel gibt dir einen Überblick, welche Therapierichtungen es gibt, die auch von der Krankenkasse übernommen werden. Anschließend werfe ich noch einen kleinen Ausblick auf weitere Therapieformen.
Wichtig: Dieser Artikel kann nur in Kürze die wichtigsten Eckpunkte wiedergeben – solltest du weiterführende Fragen haben, wende dich bitte an eine Therapeutin oder einen Therapeuten!
Psychoanalyse
Die Psychoanalyse ist die älteste Form der Psychotherapie, die noch auf den ersten „Begründer“ der Psychotherapie Sigmund Freud zurückgeht. Bei dieser Therapieform legst du dich auf eine Coach oder Liege und lässt deinen Gedanken freien Lauf, in der Regel ohne direkten Blickkontakt.

Dieser Therapieansatz geht davon aus, dass uns ungelöste Konflikte in der frühen Kindheit verletzlich machen für Herausforderungen im Hier und Heute. Wenn wir alte Konflikte von damals immer noch unbewusst mit uns herumtragen, versperren sie uns den Weg zu unserem eigenen Glück.
In der Regel wird der/die Therapeut*in dir sehr viel zuhören und dir helfen, heutige Konflikte vor dem Hintergrund deiner Vergangenheit zu verstehen. Du legst dich hin, um dich zu entspannen. Dadurch wird der Kopf freier. Der/die Therapeut*in wird dich dabei weniger führen oder in bestimmte Richtungen lenken, als es in anderen Therapierichtungen der Fall ist – du kannst dich ganz frei entfalten. Auch Träume und Fantasien kannst du immer mitbringen.
Psychoanalyse ist etwas für dich, wenn du deine Vergangenheit aufarbeiten und reflektieren möchtest und bereit bist, dafür etwas Zeit mitzubringen. Denn die Stundenanzahl, die die Krankenkasse übernimmt, liegt bei bis zu 300. Eine Psychoanalyse geht somit in der Regel über drei bis fünf Jahre – in Ausnahmefällen auch länger. Die Psychoanalyse findet normalerweise als Einzeltherapie statt.
Eher nichts für dich ist die Psychoanalyse, wenn du schnelle Erfolge willst oder wenig Zeit hast. Denn die Sitzungen finden drei bis vier Mal in der Woche statt.
Tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie
Eine Weiterentwicklung der Psychoanalyse ist die tiefenpsychologisch fundierte Psychotherapie. Hier gibt es einen ganzen Strauß an unterschiedlichen Theorien, die sich über die Zeit entwickelt haben. Der Kernpunkt ähnelt aber dem der Psychoanalyse: Unbewusste Konflikte hindern uns daran, unser Glück zu finden.
Die Tiefenpsychologie geht aber etwas anders mit diesem Grundgedanken um. Sie möchte nämlich aktiv eine Beziehung zwischen Patient*in und Therapeut*in gestalten. Das heißt, du liegst nicht, sondern du sitzt und schaust den/die Therapeut*in an. Der/die Therapeut*in wird auch mehr aktiven Input liefern und dir helfen, die Geschichte, mit der du kommst, zu sortieren und Parallelen zum Hier und Heute zu ziehen. So kannst du verstehen, warum dir manche Dinge vielleicht schwerer fallen als andere. Auch hier kann das Besprechen von Träumen und Fantasien Teil der Therapie sein. Doch der Fokus wird mehr auf die Konflikte im Hier und Heute gelegt.

In der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie hast du ein bis zwei Mal in der Woche einen Termin. Sie eignet sich daher für Menschen, die ihre Vergangenheit genauer verstehen wollen, ohne sich in ihr zu verlieren und die außerdem nicht die Zeit haben, um mehrmals die Woche zur Therapie zu gehen. Aber auch hier gilt: Für schnelle Erfolge ist diese Therapieform nicht bekannt – auch hier musst du etwas Geduld mitbringen, bis spürbare Verbesserungen eintreten.
Kognitive Verhaltenstherapie
Mitte der 1960er Jahre zeichnete sich eine neue Welle der Psychotherapie ab: die kognitive Therapie und später die kognitive Verhaltenstherapie. Manche Psycholog*innen rebellierten gegen den Ansatz, dass die Probleme des Menschen nur aus seiner Kindheit kämen, der er unterworfen war. Sie lenkten den Fokus auf die Idee, dass der Mensch sein Leben selbst gestalten kann, indem er im Hier und Heute neu lernt. Entsprechend dreht sich die Therapie auch verhältnismäßig wenig um deine Kindheit.
Dieser Grundgedanke spiegelt sich auch in der Therapie wieder: Sie ist sehr aktiv gestaltet und möchte, dass du Blockaden in deinem Leben löst, indem du neue Dinge lernst. Mit dem oder der Therapeut*in probierst du – zum Beispiel in Rollenspielen – neue Verhaltensweisen aus, prüfst die eigenen Gedanken auf Logikfehler und bekommst auch mal Hausaufgaben auf. Ihr arbeitet quasi als Team, während ihr gemeinsam entdeckt, wie du die ein oder andere Herausforderung in deinem Leben bewältigen kannst. Der oder die Therapeut*in ist dabei deutlich aktiver und auch dirigierender als in der Psychoanalyse oder der tiefenpsychologisch fundierten Therapie – ohne dir dabei jedoch etwas „aufdrücken” zu wollen.
Verhaltenstherapie gibt es sowohl als Einzel- als auch als Gruppentherapie. Sie wird von der Kasse übernommen und findet in der Regel einmal in der Woche statt. Die maximale Stundenanzahl liegt bei 120 Stunden. Sie eignet sich für dich, wenn du aktiv sein und in kürzerer Zeit Verbesserungen in deinem Leben spüren möchtest.
Sie ist hingegen eher nichts für dich, wenn du in aller Tiefe in dich hineinforschen möchtest. Zwar wird auch in der Verhaltenstherapie deine Vergangenheit mit einbezogen, jedoch nicht so umfangreich wie in der Psychoanalyse oder der tiefenpsychologisch fundierten Psychotherapie.
Systemische Therapie
Die systemische Therapie wird erst seit Kurzem von den Krankenkassen übernommen. Auch sie hat ihre Ursprünge in der Psychoanalyse. Doch sie hat einen interessanten Grundgedanken: Eine psychische Störung gehört niemandem allein, sondern ist stets ein geteiltes Konstrukt! Das heißt, in der systemischen Therapie wird angenommen, dass eine psychische Erkrankung immer einen bestimmten Sinn und Zweck innerhalb der Familie erfüllt und dass alle ihren Anteil daran tragen – auch die, die vielleicht auf den ersten Blick keine Symptome zeigen.

Demensprechend liegt der Fokus der Therapie auf dem Umfeld (in der Regel die Familie) und dieses wird häufig auch mit in die Therapie einbezogen. Wertschätzung aller Mitglieder des Systems spielt dabei eine große Rolle. Es wird gemeinsam geschaut, „wo der Hase im Pfeffer liegt” und wie ihr spielerisch neue Möglichkeiten der Kommunikation und der Konfliktlösung finden könnt.
Systemische Therapie eignet sich sehr gut für Paare oder für Familien. Aber auch einzeln kannst du sie in Anspruch nehmen. Deine engsten Angehörigen sollten dann idealerweise bereit sein, sich zumindest auf ein, zwei Therapieeinheiten einzulassen.
Aber keine Bange: Wenn dem nicht so ist, findet der/die Therapeut*in auch Wege für die gemeinsame Arbeit! Sitzungen in der systemischen Therapie dauern in der Regel länger als die üblichen 50 Minuten. Nicht selten kommt es zu mehrstündigen Sitzungen, sodass du dir schon einen halben Tag freihalten können solltest. Dafür finden diese Sitzungen seltener statt, meistens ein oder zwei Mal im Monat.
Weitere Psychotherapien
Psychotherapie befindet sich ständig in der Weiterentwicklung. Es gibt noch viele weitere Arten von Therapie, die allerdings alle nicht von der Krankenkasse übernommen werden, da es noch nicht genug Belege für ihre Wirksamkeit gibt (was nicht heißt, dass sie nicht wirksam sein können! Es gibt nur noch nicht genug Forschung dazu).
Die bekannteste Psychotherapie dieser Art ist sicherlich die Gesprächspsychotherapie nach Rogers. Hier gehen die Therapeut*innen davon aus, dass die Ursache von psychischen Erkrankungen darin liegt, dass wir durch unsere Erziehung fremde Wertemaßstäbe übernehmen, die eigentlich gar nicht zu uns passen. Dadurch verstellen wir uns und kommen in innere Not. Wenn wir diese Fremdeinflüsse wieder loslassen, gelingt es uns laut dieser Theorie, wieder ins innere Gleichgewicht zu kommen und glücklich zu werden.

Es gibt auch die sogenannte „dritte Welle” der Psychotherapie. Darunter fallen alle neuen Ansätze, die meist das Ziel haben, die oben genannten Therapierichtungen bestmöglichst miteinander zu verbinden. So gibt es Achtsamkeitstherapien oder interpersonelle Therapie, die den Fokus auf deine Stärken legt und diese fördert.
Wenn du dich für eine dieser Therapierichtungen interessierst, so gibt es zwei Möglichkeiten: Entweder du übernimmst die Kosten für die Therapie selbst. Oder du hältst nach einem/r Therapeut*in Ausschau, die zwar eine Approbation in einem kassenzugelassenen Verfahren hat, sich aber entsprechend in der gewünschten Therapierichtung weitergebildet hat.
Du siehst also: Für jede/n gibt es eine passende Psychotherapie, und umgekehrt muss nicht für jede/n alles passen.
Abschließend sei aber noch eines gesagt: Auch wenn dir vielleicht eine der Therapierichtungen besonders zusagt, versuche offen zu sein für das, was der/die Therapeut*in dir rät! Ein/e gute/r Therapeut*in wird versuchen, mit dir die bestmögliche Therapieform für dich zu finden. Jede der Therapierichtungen hat ihre Stärken und Schwächen und grundsätzlich ist es immer möglich, aus jeder Therapie etwas Wertvolles mitzunehmen!

Über Jennifer
Eine Psychologiestudentin und angehende Psychotherapeutin, die auch die Seite als Patientin kennt. Spiritualität und Hochsensibilität kennzeichnen ihren Alltag auf dem Weg dorthin, Menschen wieder zu einem erfüllten Leben zu verhelfen.
Jetzt sind wir auf deine Meinung gespannt: Überlegst du, eine Psychotherapie zu machen? Oder bist du in einer Therapie, oder hast schon eine hinter dir? Welche der verschiedenen Therapierichtungen hast du gewählt? Informierst du dich vielleicht für jemand anderen? Welche Erfahrungen hast du mit Therapien? Wir freuen uns auf deine Gedanken!
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