Dieser Gastartikel ist einer, der mir persönlich sehr am Herzen liegt. Er ist nicht nur von meiner eigenen großen Schwester Jennifer Stünkel geschrieben, die stets ein offenes Ohr für mich hat und bei der ich mich ganz besonders freue, dass sie diesen Blog unterstützt; er beinhaltet auch viele Fragen, die ich mir selbst oft genug gestellt habe. Dieser Artikel holt dich besonders gut ab, wenn du dich (noch) nicht mit Psychotherapien auskennst. Ich wünsche dir ganz viel Spaß beim Lesen!
Lesezeit: 5 Minuten
Manchmal gibt es Lebensabschnitte, in denen wir einfach nicht weiterkommen. In denen wir vor zwischenmenschlichen Problemen stehen oder mit Gefühlen zu kämpfen haben, die unaushaltbar werden – entweder weil sie so intensiv sind oder weil sie so lange andauern. Manchmal tappen wir auch immer wieder in die gleichen Beziehungsfallen und verzweifeln daran.
Jeder Mensch hat solche oder ähnliche Phasen im Leben. Sie gehören zum Leben dazu. Doch wann solltest du dich nach einer Psychotherapie umsehen? Hier findest du einen Überblick, ob eine Psychotherapie für dich sinnvoll ist und welche Zweifel sich dir bei der Überlegung in den Weg stellen können.
Es gibt viele Gründe für eine Psychotherapie
Die Gründe, eine Psychotherapie aufzusuchen, sind tatsächlich sehr vielfältig. Der bekannteste ist sicherlich, dass du Gefühle hast, mit denen du nicht mehr zurechtkommst: Traurigkeit, innere Leere, Wut, Scham- und Schuldgefühle oder Ängste sind eine Auswahl davon.
Wenn du merkst, dass solche Gefühle länger als einen Monat anhalten oder sich immer weiter verschlimmern, dann kann das ein Hinweis darauf sein, dass du dich nach einer Psychotherapie umsehen solltest. Manchmal gibt es äußerlich nachvollziehbare Gründe für diese Gefühle (zum Beispiel Trauer nach dem Tod eines geliebten Menschen oder Wut nach Verlust des Arbeitsplatzes).
Vielleicht kannst du aber auch nicht sagen, weshalb du so fühlst, wie du fühlst. In beiden Fällen kann eine Psychotherapie ein Weg sein, diese Gefühle zu verstehen und mit ihnen einen Umgang zu finden.

Es gibt aber auch viele weitere Herausforderungen, bei denen eine Therapie helfen kann: Zum Beispiel, wenn du zwischenmenschlich sehr unsicher bist, du nicht so leicht ein Gespräch beginnen oder Kontakt zu Menschen aufbauen und halten kannst.
Aber auch bei deinen Grundbedürfnissen des Lebens kann es mal schwierig werden: Wenn du nicht gut schlafen, essen oder dich konzentrieren kannst, kannst du das in einer Psychotherapie beleuchten. Auch Themen wie Sexualität, Schule, Uni oder Arbeit kannst du zusammen mit einer/m Therapeut*in angehen. Dazu können Prokrastination (das Aufschieben wichtiger Aufgaben), Prüfungsängste oder zwischenmenschliche Probleme mit Kolleg*innen zählen.
Eine Psychotherapie kann aber auch begleitend zu oder nach einer schweren Erkrankung eine große Entlastung darstellen, ebenso wie nach Verlusten oder anderen traumatischen Ereignissen.
Psychotherapie ist offen für alle
Grundsätzlich gilt daher: Wenn du merkst, dass dich etwas immer wieder beschäftigt und vor Herausforderungen stellt, kannst du dich nach einer Psychotherapie erkundigen. Eine Psychotherapie in Anspruch nehmen zu dürfen, steht grundsätzlich jedem zu. Die Kosten werden – für bestimmte Verfahren – von der Krankenkasse übernommen.
Auch wenn du dir nicht sicher bist, ob du eine Therapie brauchst oder nicht, kannst du zu einem Erstgespräch gehen und dich beraten lassen. Das ist noch nicht Teil einer Therapie, kann aber einen guten Überblick geben, wie dir am besten geholfen werden kann.
Manchmal reicht auch einfach eine kurze Beratung oder eine Krisenintervention (zum Beispiel, wenn du schlimme Ereignisse miterlebt hast). Jede/r Therapeut*in muss solche Erstgespräche zur Orientierung anbieten. Falls du dir nicht sicher bist, ob du eine Therapie brauchst oder nicht, ist das ein guter erster Schritt. (Hier findest du einen Leitfaden, wie du einen Therapieplatz findest.)
„Mir geht es nicht gut – aber geht es anderen nicht noch schlechter?“
Vielleicht beschäftigt dich auch die Frage, ob es dir schon „schlecht genug“ für eine Psychotherapie geht. Anderen geht es doch sicher noch schlechter! Das mag zwar sein, sollte für dich aber kein Grund sein, deine eigenen Themen herunterzuspielen. Denn je länger du wartest, desto länger und komplizierter wird häufig die Therapie. Auch steigt die Wahrscheinlichkeit, dass du danach wieder in deine alten Muster zurückfällst.
Wenn du daher merkst, dass du nicht weiterkommst und dir der Gedanke an eine Therapie kommt, dann kümmere dich lieber um einen Therapieplatz, denn die Wartelisten sind (leider) lang. Und wenn du merkst, dass es dir dann zwischenzeitlich doch wieder besser geht – dann kannst du den Termin ja im Zweifelfall immer noch absagen!
Doch Achtung: Es gibt einige Erkrankungen, die in Phasen kommen und gehen. Dazu gehören zum Beispiel Depressionen, manisch-depressive Episoden oder schizophrene Störungen. Depressionen zum Beispiel sind eine der häufigsten psychischen Erkrankungen.

Lass dich also nicht davon in die Irre führen, wenn es dir kurzfristig mal wieder besser geht. Die Tücke ist, dass depressive Episoden häufig nach wenigen Jahren wiederkommen – und oft dann noch schwerer als zuvor. Wenn du merkst, dass dich immer und immer wieder Phasen von Selbstzweifel, Niedergeschlagenheit, Antriebslosigkeit, Schuldgefühlen oder gar Selbsthass quälen, nutze die „Pause“ zwischen den Phasen lieber, um dir eine Therapie zu suchen.
„Warum komme ausgerechnet ich nicht klar?“
Vielleicht stellst du dir auch die Frage: „Warum ich? Warum hat es ausgerechnet mich getroffen mit dieser blöden Depression oder diesen zwanghaften Gedanken oder diesen ständigen Ängsten?“
Dazu möchte ich dir gleich antworten: Das bist nicht nur du! Laut einer Studie von 2014 erkrankt in einem Jahr mehr als jeder Vierte (27,5%) an einer psychischen Störung. Und auf das gesamte Leben hochgerechnet, erkrankt fast jeder Zweite (45,4%) mindestens einmal psychisch.
Gerade vor oder nach großen Veränderungen im Leben ist es recht häufig, dass du innerlich strauchelst. Sei es vor oder nach dem Schulabschluss, bei der Jobsuche, nach der Geburt eines Kindes, nach Trennung und Scheidung oder vor oder nach dem Renteneintritt – um nur einige Beispiele zu nennen.
Heutzutage geht die psychologische Forschung davon aus, dass psychische Störungen sowohl durch die Gene (Anlage) als auch durch die Lebensumstände (Umwelt) entstehen. Manche haben also von Hause aus „Glück“ mit ihrer psychischen Gesundheit, während andere sensibler auf Veränderungen und Belastungen reagieren.
Und selbst die, die mit „Glück“ gesegnet sind, kommen, wenn das Leben ihnen richtig mies zuspielt, irgendwann an ihre Grenzen. Psychische Erkrankungen sind daher ebenso ernstzunehmen wie körperliche und keine Randerscheinung.

„Ich habe eine Therapie nicht verdient!“
Eine fiese und gefährliche Gedankenfalle: Zu denken, dass du eine Therapie nicht verdient hättest. Gründe dafür können Minderwertigkeitsgefühle, Schuldgefühle oder Selbsthass sein. Diese Gefühle sind aber Teil oder Folge vieler psychischen Erkrankungen. Gerade solche Gedanken sind ein guter Indikator dafür, dass du eine Therapie sehr wohl verdient hast!
Vielleicht ertappst du dich bei dem Gedanken, dass du doch selbst „Schuld“ an deiner eigenen Situation seist. Weil du dieses oder jenes getan oder nicht getan hast oder weil du es grundsätzlich verdient hättest, zu leiden – quasi als „Strafe“. Solche Gedanken können wie ein innerer Schatten sein, der dich einhüllt und festhält, und es braucht viel Kraft, ihnen entgegenzutreten. Aber auch mit diesen Gefühlen kannst du in einer Psychotherapie arbeiten.
Manchmal ist es auch das Umfeld, das dich von einer Therapie abzuhalten versucht. Häufig kommen dann Sprüche wie: „Jetzt stell dich mal nicht so an“ oder „Wer zur Therapie geht, ist doch total gaga“.
An dieser Stelle möchte ich auf den oberen Absatz verweisen – nein, wer zur Therapie geht, ist ganz sicher nicht „gaga“, sondern ein ganz normaler Mensch. Sogar einer, der aktiv versucht, etwas zu verändern und sich um sich zu kümmern! Nicht selten ist es die eigene Scham oder Angst solcher Menschen, die sie dazu bringt, solche Dinge zu sagen. Doch seine eigenen Belastungsgrenzen zu kennen und alt eingesessene Glaubenssätze der Familie oder des Freundeskreises zu überwinden, ist ein Zeichen großer innerer Stärke.
Wann eine Psychotherapie für dich sinnvoll ist
Zusammenfassend lässt sich also sagen: Bei vielen Herausforderungen im Leben kann sich für dich eine Psychotherapie lohnen – wenn du belastende Gefühle erlebst, die länger als einen Monat anhalten, wenn du in bestimmten Lebensbereichen allein nicht mehr weiterkommst oder schlimme Dinge erlebt hast. Solche Strauchler im Leben sind keine Seltenheit, sondern betreffen sehr viele Menschen. Grundsätzlich dient ein Erstgespräch mit einer/m Therapeut*in zur Orientierung und kann dir helfen, dich gemeinsam mit einem Fachmann oder einer Fachfrau für oder gegen eine Therapie zu entscheiden. Also nur Mut – der erste Schritt zu einem glücklicheren Leben ist der, den du machst!

Über Jennifer
Eine Psychologiestudentin und angehende Psychotherapeutin, die auch die Seite als Patientin kennt. Spiritualität und Hochsensibilität kennzeichen ihren Alltag auf dem Weg dorthin, Menschen wieder zu einem erfüllten Leben zu verhelfen.
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