Endlich, der dritte Teil der Psychotherapie-Reihe ist da! In den ersten zwei Teilen hat meine Schwester und Psychologiestudentin Jennifer schon erklärt, wann eine Psychotherapie sinnvoll ist, welche Fragen dir vorab im Kopf herumschwirren können und welche Therapieformen es gibt. Jetzt geht es um gute Psychotherapeutinnen. Für die Lesbarkeit des Textes habe ich entscheiden, nur die weibliche Form zu nennen. Natürlich sind trotzdem alle Geschlechter angesprochen.
Lesezeit: 6 Minuten
Du überlegst, eine Psychotherapie zu machen? Für viele Menschen ist das ein großer Schritt. Und das ist auch einleuchtend, schließlich erzählst du dabei einem fremden Menschen sehr intime Dinge über dich selbst. Natürlich möchtest du dabei sichergehen, dass du wirklich in guten Händen bist.
Stehst du gerade vor einer Psychotherapie oder hast sie schon begonnen? Hast du vielleicht Zweifel, ob deine Therapeutin wirklich gut ist? Hier ist eine kurze Liste der wichtigsten Merkmale von guten Psychotherapeutinnen.
1. Gute Psychotherapeutinnen hören dir aktiv zu
Es klingt vielleicht banal, aber: Gute Psychotherapeutinnen hören dir aktiv zu. Aktives Zuhören bedeutet mehr als einfach nur schweigend dazusitzen.
Eine gute Therapeutin stellt Nachfragen, wenn sie etwas nicht genau versteht. Es ist wichtig, dass deine Therapeutin dich wirklich versteht, um dir helfen zu können. Daher ist es ein gutes Zeichen, wenn sie bei wichtigen Dingen auch mehrmals nachhakt und Details erfragt.
Sie wird versuchen, das, was du erzählt hast, noch einmal in eigenen Worten zusammenzufassen. Dadurch bekommst du die Chance, eventuelle Missverständnisse auszuräumen. Und in der nächsten Sitzung erinnert sich die Therapeutin noch an die wesentlichen Punkte der letzten Sitzung.
Klar kann auch mal eine Therapeutin etwas vergessen – kein Grund zur Sorge, auch Therapeutinnen sind nur Menschen! Aber wenn es häufiger vorkommt, dass die Therapeutin nicht mehr weiß, was ihr in der letzten Sitzung besprochen habt, darfst du stutzig werden.
2. Gute Psychotherapeutinnen erklären dir die Diagnose und den Behandlungsplan
In der Regel wird in den ersten fünf Sitzungen einer Psychotherapie (den sogenannten „probatorischen Sitzungen“) eine Diagnose gestellt. Das heißt, spätestens am Ende dieser fünf Sitzungen sollte die Therapeutin dir offen erklären, welche Diagnose sie bei dir stellt. Idealerweise erklärt sie dir auch, wie sie auf die Diagnose kommt. Fragen wird eine gute Therapeutin dir auf verständliche Weise beantworten.
Aus diesen Erklärungen leitet die Therapeutin dann auch den Behandlungsplan ab – wie ihr also gemeinsam in den folgenden Sitzungen vorgehen werdet. Dieser Behandlungsplan stellt normalerweise einen groben „Fahrplan“ dar und kann am Anfang einer Therapie zumeist noch gar nicht bis ins kleinste Detail ausgearbeitet sein.
Aber du solltest eine grobe Orientierung bekommen und eine Idee haben, worauf du dich einlässt. Denn nur, wenn du das weißt, kannst du eine Entscheidung darüber fällen, ob du die Therapie wirklich machen möchtest oder nicht. Dazu zählt auch, dass du aufgeklärt wirst über alle Formalia, zum Beispiel die Höhe des Ausfallhonorars, falls du mal einen Sitzungstermin kurzfristig verschwitzt.
3. Gute Psychotherapeutinnen sind authentisch
Gute Psychotherapeutinnen erkennst du auch daran, dass sie dir gegenüber ehrlich und authentisch auftreten. Das heißt, sie verschweigen dir nichts und tun nichts hinter deinem Rücken oder gar gegen deinen Willen. Du spürst, dass sie es gut mit dir meinen und dass sie dir ehrlich zugewandt sind. Es gelingt ihnen, eine angenehme Atmosphäre zu schaffen, in der du dich gut aufgehoben und verstanden fühlst.

Je nachdem, welcher Therapierichtung sie angehören, geben sie auch hin und wieder ehrlich preis, wie sie deine Situation wahrnehmen. Zum Beispiel könnten sie sagen: „Ich finde es ganz normal, dass die Situation Sie wütend gemacht hat“ oder „Das klingt wirklich traurig, was Sie da erzählen“. Gut zu wissen: Psychoanalytikerinnen werden das eher selten tun. Tiefenpsychologinnen und Verhaltenstherapeutinnen hingegen sind an dieser Stelle offener.
Aber Achtung! Eine gute Therapeutin schweift niemals in ihr eigenes Leben ab! Du stehst im Mittelpunkt der Therapie und dieses ehrliche Feedback soll dir helfen und nicht der Therapeutin! Wenn eine Therapeutin anfängt, ausschweifend über das eigene Leben zu erzählen, ist das ein grober Therapiefehler!
4. Gute Therapeutinnen halten den therapeutischen Rahmen ein
Eine Psychotherapie stellt immer ein Vertrauensverhältnis und zu einem gewissen Grad auch ein Abhängigkeitsverhältnis dar. Immerhin vertraust du dich mit deinen Problemen einem Menschen an, der dir helfen soll.
Daher wird eine gute Therapeutin streng darauf achten, immer den therapeutischen Rahmen einzuhalten und dich niemals auszunutzen.
Das heißt, eine Therapeutin darf kein Geld und keine Dienstleistungen von dir entgegennehmen (abgesehen natürlich von Ausfallhonoraren oder dem vereinbarten Honorar, wenn die Krankenkasse die Therapie nicht zahlt). Ebenso darf eine Therapeutin mit dir keine zwischenmenschliche Beziehung außerhalb der Therapie eingehen – keine Freundschaft und auch keine sexuelle Beziehung. Auf ein entspanntes Kaffeetrinken zwischen den Sitzungen darf sich eine Therapeutin also mit dir nicht einlassen.
Manche Patientinnen haben das Bedürfnis, aus Dank der Therapeutin ein Geschenk zu machen. Falls die Therapeutin dieses Geschenk ablehnt, bedeutet das nicht, dass sie dich nicht mag, sondern dass ihr es wichtig ist, genau diesen therapeutischen Rahmen zu deinem Schutz einzuhalten. Und sexuelle Handlungen jeglicher Form zwischen Patientin und Therapeutin sind selbstverständlich ein absolutes, unaufhebbares Tabu!
Therapeutinnen sind dazu verpflichtet, dieses sogenannte Abstinenzgebot auch mindestens ein Jahr nach Beendigung der Psychotherapie einzuhalten. Eine gute Therapeutin hält sich auch länger an dieses Abstinenzgebot, denn aus ethischen Gesichtspunkten wird eine Abstinenzzeit von mindestens zwei Jahren empfohlen.
5. Gute Therapeutinnen sprechen auch unangenehme und schmerzhafte Themen an
Ja, auch das gehört zu einer Therapie dazu: einen Blick auf die Themen zu werfen, die du eigentlich lieber vermeiden würdest. Gerade die Bearbeitung solcher sensiblen Themen ist häufig ganz wesentlich für das Gelingen einer Therapie. Daher wird eine gute Therapeutin auch solche Themen nicht aus den Augen verlieren und dich mit Fingerspitzengefühl immer wieder auf diese zurückführen.
Egal, wie schmerzhaft, peinlich oder unangenehm ein Thema ist – eine gute Therapeutin wird dabei niemals über dich urteilen und dich stattdessen mit deinen Fehlern und Schwächen annehmen. Auch wenn dabei mal heftige Gefühle zutage kommen, kann eine gute Therapeutin mit diesen umgehen und sie auffangen.
Dennoch weiß eine gute Therapeutin, dass es auch sehr anstrengend sein kann, über solche Themen zu reden. Sie wird dich also immer wieder dazu ermutigen, aber niemals zwingen. Und wenn du mal wirklich in einer Sitzung nicht die Kraft hast, an einem solchen Thema zu arbeiten, wird eine gute Therapeutin das auch akzeptieren.
6. Gute Therapeutinnen reagieren auf Veränderungen in deinem Leben
Auch während der Therapie geht dein Leben natürlich weiter. Gute Therapeutinnen können damit umgehen.
Uns geschehen glückliche, manchmal auch traurige Ereignisse, und diese haben selbstverständlich Einfluss auf unsere Psyche und damit folgerichtig auch auf die Psychotherapie. Manchmal ist es daher notwendig, einen Behandlungsplan im Laufe der Therapie zu verändern oder zu ergänzen. Gute Therapeutinnen werden das tun – sie werden nicht stur an ihrem Konzept feshalten, sondern auf das eingehen, was in deinem Leben jetzt aktuell ist.
Auch wenn vielleicht eine Therapiemethode nicht wirkt, sind gute Therapeutinnen bereit, ihr Konzept zu überdenken und mit dir zusammen etwas Neues auszuprobieren. Niemals werden sie dir die Schuld geben, falls eine Therapiemethode mal nicht anschlägt.

7. Gute Psychotherapeutinnen gestalten ein einfühlsames Ende der Therapie
Wenn du über längere Zeit mit einer Psychotherapeutin zusammengearbeitet und ihr so vieles über dich anvertraut hast, kann schon mal ein enges Vertrauensverhältnis entstehen. Das ist normal und sogar ein Zeichen dafür, dass ihr gemeinsam an einem Strang zieht.
Gute Therapeutinnen wissen um dieses Vertrauensverhältnis und bereiten den Abschied am Ende der Psychotherapie mit dir gemeinsam vor. Nicht wenige Menschen haben schmerzhafte Erfahrungen mit Trennung und Abschied gemacht, sodass eine gute Therapeutin versuchen wird, dir eine positive, heilsame Abschiedserfahrung zu ermöglichen. Sie gibt dir Zeit, dich aus diesem Vertrauensverhältnis zu lösen, denn schließlich seid ihr eine ganze Zeit lang ja gemeinsam „durch Dick und Dünn“ gegangen.
Auch wenn das Ende einer Therapie durch die Therapeutin entsteht (zum Beispiel, wenn die Therapeutin umzieht oder in Rente geht), wird sie das frühzeitig ankündigen, erklären und dir gegebenfalls helfen, einen neuen Therapieplatz zu finden. Eine gute Psychotherapeutin wird dich auch am Ende einer Psychotherapie nicht fallen lassen.
Du darfst jederzeit alles ansprechen
Wenn du eine Therapeutin hast, die diese sieben wichtigen Merkmale einhält, dann ist das ein sehr gutes Zeichen! Selbstverständlich hast du das Recht, eine Therapeutin jederzeit auf solche Themen anzusprechen, Fragen zu stellen und auf dein Gefühl zu hören. Manchmal passt aber auch einfach die Chemie nicht – das muss kein Zeichen für eine schlechte Therapeutin sein, sondern ist einfach menschlich. Auch das darfst du jederzeit ansprechen. Und falls ihr feststellt, dass ihr wirklich nicht zusammenpasst, wird eine gute Therapeutin dich dabei unterstützen, einen anderen Therapieplatz zu finden.

Über Jennifer
Eine Psychologiestudentin und angehende Psychotherapeutin, die auch die Seite als Patientin kennt. Spiritualität und Hochsensibilität kennzeichen ihren Alltag auf dem Weg dorthin, Menschen wieder zu einem erfüllten Leben zu verhelfen.
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Titelbild: Pexels/Pixabay; Bild 1: StockSnap/Pixabay; Bild 2: StartupStockPhotos/Pixabay
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